Symbol der Anerkennung und Wertschätzung

Die Journalistin Marion Krüger-Hundrup schrieb im Mai 2024 im Fränkischen Tag  und in der Main-Post folgenden Artikel über die Enthüllung des Kunstwerks am 8. Mai 2024:

 

Foto: Marion Krüger-Hundrup | OB Andreas Starke, Künstler Bernd Wagenhäuser und Vereinsvorsitzender Wolfgang Grader enthüllten das Kunstwerk symbolisch.   

 

Symbol der Anerkennung und Wertschätzung

Enthüllung: Der Kunstweg „Jüdisches Leben in Bamberg“ ist seit dem 8. Mai um einen Erinnerungsort reicher. Redner der Feierstunde in den Theatergassen würdigten das Kunstwerk „Dritte und vierte Synagoge“ von Bernd Wagenhäuser auch als Zeichen gegen Antisemitismus.

Von Marion Krüger-Hundrup

 

Bamberg - Die heutigen Theatergassen waren über lange Zeit ein Ort des Gebetes, ein historisch wertvoller Ort, an dem reges jüdisches Leben herrschte: Auf diesem Areal stand von 1664 bis 1910 die Bamberger Synagoge. Zunächst die dritte Synagoge, nach Anwachsen der örtlichen Gemeinde die entsprechend größere vierte, die – nach Bau der fünften, in der Reichspogromnacht 1938 zerstörten Synagoge in der Herzog-Max-Straße  -  profaniert, später Eigentum eines Verlags und 1985 aus städtebaulichen Gründen abgerissen wurde. Schulhaus, Schlachterei, Wohnung für die Kultusbeamten der Gemeinde und mehr prägten einst das ganze Viertel jüdisch.

Daran erinnert seit dem 8. Mai, dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Tag der Befreiung von der Naziherrschaft, das Kunstwerk „Dritte und vierte Synagoge“, das der in Bamberg profilierte Künstler Bernd Wagenhäuser geschaffen hat. Die Installation ist wie das nahe Kunstwerk „Weiße Taube“ und die Kunstobjekte im Quartier an den Stadtmauern ein Bestandteil des Kunstweges „Jüdisches Leben in Bamberg“. Seit dem Jahr 2020 setzt sich der Förderverein „kunstwerk10“ dafür ein, an unterschiedlichen Orten der Stadt jüdisches Leben in Vergangenheit und Gegenwart künstlerisch zu dokumentieren. Der Standort des ersten Judenhofs mit der ersten Synagoge Bambergs am heutigen Pfahlplätzchen, der erste jüdische Friedhof im Bereich der unteren Sandstraße, das Haingebiet sollen weitere Stationen auf dem Kunstweg werden.

Die Vereinsvorstände Wolfgang Grader und Judith Aumüller machten in der Feierstunde zur Enthüllung des neuen Kunstobjektes deutlich, dass mit dem Projekt „Kunstweg – Jüdisches Leben“ nicht nur eine Erinnerungskultur aufrecht gehalten, sondern die Gegenwarts- und Zukunftsperspektive jüdischen Lebens miteinbezogen werde. Grader beklagte, dass nach dem 8. Mai 1945 „ein wahres freies Leben auch für jüdische Bürgerinnen und Bürger Bambergs weiterhin nur bedingt möglich ist“. In Deutschland müssten Synagogen bewacht werden, antisemitische Taten seien sprunghaft angestiegen. Der Redner nannte es „geradezu grotesk“, dass Israel als jüdischer Staat in Diskussionen vermehrt hinterfragt werde, und Juden sich wieder um ihre Sicherheit Sorgen machen müssten. „Die Zeit der schönen Worte ist vorbei“, so Grader. Die Erinnerung verpflichte, gegen Antisemitismus und Hass für das jüdische Volk, für Israel einzutreten.

Oberbürgermeister Andreas Starke würdigte das Gesamtkunstwerk als „Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung der beiden lebendigen jüdischen Gemeinden in Bamberg“. Der OB dankte dem Verein „kunstwerk10“ für die „gute Idee und organisatorische Umsetzung dieses wunderbaren Projektes“ und den Sponsoren für die Finanzierung sowie den Eigentümern in den Theatergassen für die problemlose Zustimmung zur Errichtung auf deren Grund und Boden. Der Sprecher der Eigentümerversammlung, Peter Doering, bekundete diese Zustimmung in seinem Grußwort ausdrücklich und beglückwünschte den Verein „kunstwerk10“ zur neuen Installation.

Antje Yael Deusel, Rabbinerin der Liberalen jüdischen Gemeinde Mischkan ha-Tfila Bamberg, sieht darin nicht einen „Gedenkort an Mauern, sondern an Menschen“: „Denn sie sie sind es, die diesem Ort einst Leben verliehen haben“, betonte die Rabbinerin. Diese Reminiszenz an die Vergangenheit solle den Betrachtenden und den Vorübereilenden zur Mahnung sein, aber auch zum Ausdruck der Hoffnung, dass jüdisches Leben in Bamberg in Alltag und Feiertag, in Arbeit und Gebet, in der Gegenwart und ebenso in der Zukunft seinen festen Platz innehaben möge.

Als Grundlage der einzelnen Objekte auf dem Kunstweg dienen zehn historische Gusseisensäulen aus der ehemaligen Jüdischen Nähseidenfabrik Kupfer, Heßlein & Co, an deren Stelle sich in der heutigen Willy-Lessing-Straße die neue Synagoge und das Gemeindezentrum der Israelitischen Kultusgemeinde befindet. Die Säulen waren vormals Teil einer Industriearchitektur und stehen heute sinnbildlich für das aufstrebende jüdische Wirtschaftsleben ab dem 19. Jahrhundert.

Künstler Wagenhäuser hat die Säulen mit Plastiken aus Cor-Ten-Stahl umformt. Dieser Stahl sei mit einer Speziallegierung versehen, die eine Schutzpatina annehme und sich über die Jahre hinweg stetig verändern würde, erklärte Wagenhäuser und fügte hinzu: „Das ist mehrdeutig!“ Das neue Kunstwerk „Dritte und vierte Synagoge“ stehe für sich, die Deutungsfreiheit bleibe offen. Gleichwohl könne der Bogen als Fragment der ehemaligen Synagogen gesehen werden: „Vielleicht der Eingang“, meinte Wagenhäuser.

Die rege Anteilnahme der Bamberger Bevölkerung an dieser Feierstunde übertrug sich auf Rebekka Wagner und Sophia Schulz, die mit Violine und Cello dem neuen Erinnerungsort eine musikalische Prägung gaben.

 

Foto: Marion Krüger-Hundrup | Das neue Kunstobjekt in den heutigen Theatergassen erinnert an die dortigen einstigen Synagogen und mahnt für die Gegenwart und Zukunft.