Schautafel Weiße Taube
Im September 2022 wurde die Schautafel zu Ehren der Weißen Taube, auf deren früherem Grund die Theatergassen erbaut wurden, angebracht. Die Informationen und Bilder wurden freundlicherweise von Dr. Christian Fiedler bereitgestellt, für dessen Buch "Bamberg, die wahre Hauptstadt des Bieres" er unermüdlich recherchiert hatte. Die nachfolgende Geschichte stammt ebenso aus diesem Buch.
Auszug aus dem Buch "Bamberg, die wahre Hauptstadt des Bieres" von Dr. Christian Fiedler:
Brauerei Weiße Taube
Anders als die meisten anderen Braustätten Bambergs ist die "Weiße Taube" völlig aus dem Stadtbild verschwunden. Lediglich eine Bronzetafel [Anm. d. Redaktion: seit Ende 2022 ebenfalls eine Schautafel im Bereich Theatergassen 9] weist darauf hin, dass sie während des Dritten Reichs das letzte Refugium jüdischen Lebens in der Stadt war. Dort, im Herzen der Stadt, befand sich bis zur Wirtschaftskrise des 1. Weltkriegs eine der größten Braustätten Bambergs, die "Weißtaubenbräu".
Bereits im Jahr 1491 wird das heutige Anwesen Zinkenwörth 17 urkundlich erwähnt. Es befindet sich im Besitz von Hans Greutzberger. Der Beginn der Brautätigkeit setzt aber wohl erst mit einem Neubau ein, der um 1588 von dem Büttner Hans Forster errichtet wird. Zu dieser Zeit trägt das Anwesen die Bezeichnung "Zum Roten Rösslein". Um 1730 ist aus dem "Roten Rösslein" eine "Weiße Taube" geworden. Zur damaligen Zeit ist der aus Zeil stammende Büttner Hans Georg Busch Eigentümer des zweistöckigen Brau- und Darrhauses. Wenige Jahre später erwirbt der Büttner Michael Stösser für 300 Gulden einen Felsenkeller auf dem Stephansberg (heute Alter Graben 1). Als weitere Besitzer sind der Büttner Jakob Leidner (1763-1793) und dessen Sohn Friedrich (1793-1803) überliefert.
Nach dem Ableben Friedrich Leidners geht das Anwesen an seine Witwe Kunigunde. Als Tochter des Bierbrauers Kaspar Schellenberger erbt sie zur gleichen Zeit auch den elterlichen Felsenkeller am Oberen Stephansberg 20. Mit diesem Grundbesitz ist die Witwe Kunigunde Leidner, geb. Schellenberger, eine begehrte Frau, die im selben Jahr wieder heiratet. Der Auserwählte ist der Büttnergeselle Georg Rittmeyer aus Forchheim, der fortan die Geschicke in der "Weißen Taube" übernimmt. Und das gelingt ihm ausgezeichnet, denn wenig später ist sein Brauhaus mit einem Jahresausstoß von 1.380 hl Bier die größte der damals 63 Bamberger Braustätten.
Am 4. Juni 1831 übrernimmt Georg Hammelbacher das Brauhaus sowie den Felsenkeller mit Wohnhaus und Scheune. Der neue Besitzer arbeitet zielstrebig an der Vergrößerung der Braustätte. Zuerst lässt er die Gaststube umgestalten (1835), dann im hinteren Teil des Anwesens eine Gartenhalle errichten (1838).
Georg Hammelbacher verstirbt im Alter von 69 Jahren, von denen er 44 Jahre als Braumeister verbracht hat. Anschließend heiratet seine dritte Frau Eva den Brauer Georg Eckstein aus Erlau. Die letzte große Ära der Weißen Taube beginnt um 1895 mit der Übernahme durch den Brauer Andreas Burkard. Dazu verkauft der gebürtige Frensdorfer seinen bisherigen Brauereibesitz (Mahr) an seinen Schwager Johann Michel jun. In der Folgezeit baut er die Weißtaubenbräu zu einem industriellen Großbetrieb aus und erweitert das Unternehmen erheblich. Zuerst vergrößert er die Gaststätte und den Wirtschaftsgarten, dann errichtet er dem Zeitgeschmack entsprechend einen großen Musikpavillon. Zur weiteren Expansion seiner Bierfabrik erwirbt er den rückwärtigen Teil des Anwesens Lange Straße 22 (1904) und vergrößert das Gasthaus am Zinkenwörth, indem er das Nachbaranwesen Nummer 19 hinzukauft.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat die Braustätte enorme Ausmaße angenommen und erstreckt sich von der Synagoge am Zinkenwörth über den gesamten Weißgerbergraben bis zur Bebauung am Schönleinsplatz. Hinsichtlich der produzierten Biermenge ist die Weißtaubenbräu die fünftgrößte Braustätte Bambergs. Auf dem Höhepunkt seines unternehmerischen Schaffens muss Andreas Burkard die Weißtaubenbräu wegen Konkurses an Johann Lieblein und dessen Sohn verkaufen.
Als eine der wenigen Bamberger Braustätten bietet die Weißtaubenbräu eine Spezialität an: ein Weizenbier, „das infolge seines reichhaltigen Kohlensäuregehalts sehr bekömmlich ist“. Diese Biersorte wird aber schon 1916 mangels geeigneter Arbeitskräfte nicht mehr hergestellt. Die wirtschaftliche Krise trifft die Brauerei so hart, dass die Sudkessel ab 1917 nicht mehr geheizt werden. Die Hofbräu AG Bamberg erwirbt Teile des Anwesens, darunter das Speisehaus Weiße Taube. Anschließend nutzt die israelitische Kultusgemeinde das Haus für eine Altersstiftung, ehe es 1942 an die SS zwangsverkauft werden muss. Nach dem Krieg übernimmt der St. Otto-Verlag das Areal für seine Druckerei und veräußert die Immobilie später an eine Bauträgergesellschaft. Diese lässt 1985 das Areal einebnen und errichtet auf der innenstadtnahen Freifläche das Wohn- und Geschäftsviertel Theatergassen.
Aus diesem Luftbild von 1930 gehen Lage und Größe der Weißtaubenbräu hervor: Am westlichen Ende des Biergartens (A) ist der Musikpavillon (B) zu erkennen, dahinter steht die ehemalige Alte Synagoge (C). Die Brauereigebäude (D) befinden sich am Zinkenwörth. Das Areal ist heute mit den Theatergassen überbaut. Rechts der Schönleinsplatz, darüber die Lange Straße:
Nach der Brauereischließung diente die Weiße Taube der jüdischen Gemeinde Bambergs als wichtiges Refugium. In ihrer Nähe standen die alte Bamberger Synagoge und die ehemalige Judenschule, die 1924 verkauft wurden. Als in der „Reichskristallnacht“ die neu erbaute Synagoge niedergebrannt wurde, verlagerten sich die Aktivitäten der Gemeinde in das Gasthaus „Zur Weißen Taube“. Hier wurden Gottesdienste und jüdischer Religionsunterricht abgehalten sowie die Gemeindearbeit organisiert. Später wurde der Gasthof als Sammelstelle missbraucht, von wo die jüdischen Mitbürger in die Vernichtungslager deportiert wurden. Das Sinnbild des Friedens, die weiße Taube, hatte ihren Symbolcharakter längst verloren.
Überraschungsbesuch Dr. Fiedlers in den Theatergassen
Links: Dr. Fiedler, der Autor, der die Bilder der Schautafel zur Verfügung gestellt hat.
Rechts: Peter Doering, Verwaltungsbeirat.
Foto: Peter Doering