Die Journalistin Marion Krüger-Hundrup schrieb Mitte Oktober 2023 im Fränkischen Tag und in der Mainpost folgenden Artikel:

 

Starkes Zeichen für ein Miteinander und ein neuer Ort der Erinnerung an eine menschliche Tragödie

Foto: Marion Krüger-Hundrup | Künstler Bernd Wagenhäuser und Esther Rojtenberg enthüllten im Rahmen einer Performance die Säule aus Cortenstahl.

Foto: Marion Krüger-Hundrup | Künstler Bernd Wagenhäuser und Esther Rojtenberg enthüllten im Rahmen einer Performance die Säule aus Cortenstahl.

 

Eine geborstene, gebrochene Säule: Auf jüdischen Friedhöfen ist sie ein Symbol für ein allzu frühes Lebensende. "Man kann Verletzung herauslesen", sagte denn auch der renommierte Künstler Bernd Wagenhäuser vor der von ihm geschaffenen Säule aus Cortenstahl in den Theatergassen. Also an einem historisch wertvollen Ort in Bamberg, dessen geschichtliche Spuren jedoch nicht mehr zu finden sind. Es standen dort nicht nur die dritte und vierte Synagoge Bambergs, sondern auch die Brauereigaststätte "Weiße Taube", die 1935 von der Israelitischen Kultusgemeinde erworben wurde. Und von der aus die SS ab November 1941 die Deportationen in die Konzentrationslager durchführte.

"Dieser Ort ist ein Erinnerungsort der unendlich großen menschlichen Tragödie, die das schreckliche Naziregime auch in Bamberg begangen hatte", erklärte Wolfgang Grader, Vorsitzender des Vereins "kunstwerk 10", der zu dieser Gedenkstunde am Montagabend eingeladen hatte. Diese Erinnerung verpflichte, gegen Antisemitismus und Hass einzutreten, fuhr Grader vor den vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern fort. Und zwar gerade heute für das jüdische Volk, für Israel. Auf das Massaker, das am 7. Oktober in Israel stattgefunden habe, könne es nur eine Antwort geben: "Seite an Seite mit Israel stehen und jetzt Solidarität in Wort und Tat zum Ausdruck bringen", so der Redner.

Der Förderverein "kunstwerk 10" hat sich zum Ziel gesetzt, historische und gegenwärtige Orte jüdischen Lebens durch einen Kunstweg miteinander zu verbinden und diese für alle Bürger erkennbar zu machen. Damit soll auch dem fortwährenden Antisemitismus entgegengewirkt werden. Als verbindendes Element der einzelnen Kunstobjekte von Bernd Wagenhäuser dienen die zehn einstigen Gusseisensäulen aus der im 19. Jahrhundert gegründeten jüdischen Nähseidenfabrik Kupfer, Heßlein & Co, die 1938 von den Nazis zwangsweise arisiert wurde. Heute befindet sich dort die neue Synagoge mit dem Gemeindezentrum der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg.

"Unsere Stadt war und ist ein Ort der Vielfalt und des Miteinanders, und das soll sie auch bleiben."
Andreas Starke, Oberbürgermeister

Die ersten Kunst-Installationen befinden sich im "Quartier an den Stadtmauern", dem Ort des zweiten Judenhofs in Bamberg im 15. Jahrhundert, an dem die zweite Synagoge stand und die noch vorhandene Mikwe daran erinnert. Im März 2024 wird das nächste Kunstwerk zur Erinnerung an die dritte und vierte Synagoge am Prälat-Meixner-Platz in den Theatergassen errichtet. Der Standort des ersten Judenhofs mit der ersten Synagoge Bambergs – an der Marienkapelle am Pfahlplätzchen, der erste jüdische Friedhof im Bereich der unteren Sandstraße und das Haingebiet sollen weitere Stationen auf dem "Kunstweg – jüdisches Leben in Bamberg" werden.

Oberbürgermeister Andreas Starke würdigte die jüdischen Gemeinschaften, die über die Jahrhunderte hinweg einen bedeutenden Beitrag zur kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Bambergs geleistet hätten. Das neue Kunstwerk von Bernd Wagenhäuser solle daran erinnern, wie wichtig es sei, Toleranz, Respekt und Zusammenarbeit zu fördern. Der OB: "Unsere Stadt war und ist ein Ort der Vielfalt und des Miteinanders, und das soll sie auch bleiben." Mit der Kunstinstallation würde Bamberg die Verbundenheit mit den heute lebendigen jüdischen Gemeinden zum Ausdruck bringen: "Wir sind stolz auf unsere jüdische Gemeinschaft und sehen sie als integralen Bestandteil unseres kulturellen Erbes", fügte Starke hinzu und bekräftige angesichts des "barbarischen Aktes am 7. Oktober" die Solidarität mit dem israelischen Volk.

Yael Deusel, Rabbinerin der Liberalen Jüdischen Gemeinde Mischkan ha-Tfila Bamberg, nannte in ihrer berührenden Ansprache das neue Denkmal eine "Mahnung gegen das Vergessen des Vergangenen" und gleichzeitig eine "Ermahnung für die Gegenwart als ein starkes Zeichen für ein demokratisches und friedliches Miteinander – gerade jetzt in diesen Zeiten". Für die Rabbinerin stehen die Theatergassen mit dem einstigen Standort der "Weißen Taube" symbolisch für die Menschen, die einst dort ein und aus gingen. Diese geborstene gußeiserne Säule stehe außerdem symbolisch für die Arbeitswelt, für den ganz normalen Alltag, den die jüdischen Einwohnerinnen und Einwohner als fest integrierter Bestandteil der Stadtgesellschaft gelebt hätten wie jeder andere Bamberger auch.

Für die Eigentümergemeinschaft Theatergassen drückte Verwaltungsbeirat Peter Doering die hohe Zustimmung zu dieser Installation des Wagenhäuser-Kunstwerks aus und verwies auf die eigens errichteten Schautafeln mit Fakten und Daten aus der Geschichte der "Weißen Taube".

Die eigentliche Enthüllung der Säule geschah im Rahmen einer eindrücklichen Performance, die Esther Rojtenberg bot. Gemeinsam mit dem Künstler und mit klagendem Gesang befreite sie das Werk von der weißen Papierbahn, die es verhüllt hatte. Totenstill war es dann in den Theatergassen, als Esther Rojtenberg, sich begleitend mit dem Akkordeon, das Sehnsuchtslied "La Paloma" sang. Die Taube: ein Symbol für Frieden und friedliches Zusammenleben.